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Nahrungsergänzungsmittel – Sinnvoll oder Geldverschwendung?

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel (=NEM) erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Schaut man sich das Sortiment von Apotheken, Drogeriemärkten oder online an, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen ohne diese Zusatzprodukte kaum noch möglich ist.

Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung meiner Praktikantin und angehenden Kollegin Lisa Kerbl verfasst. Vielen Dank!


Was sind Nahrungsergänzungsmittel eigentlich?

Nahrungsergänzungsmittel:

  • dienen zur Ergänzung der normalen Ernährung (dient nicht primär der Energiezufuhr)

  • sind Lebensmittel

  • bestehen aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen (Aminosäuren, Vitamine, Ballaststoffe, pflanzliche Stoffe, …)

  • haben eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung (§ 3 Z 4 LMSVG)


Einsatzgebiete von Nahrungsergänzungsmitteln

Wie der Name schon sagt, dienen Nahrungsergänzungsmittel dazu, die Ernährung zu ergänzen und sind kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung.


Wann können sie sinnvoll eingesetzt werden?

●      Nährstoffmangel

Sie können gezielt eingesetzt werden, um Nährstofflücken zu schließen und um eine ausreichende Zufuhr bestimmter Nährstoffe zu gewährleisten.


●      Spezielle Lebenssituationen/bestimmte Ernährungsformen

Insbesondere für Personen, die aufgrund besonderen Lebenssituationen (Schwangerschaft, Stillzeit, vegetarische/vegane Ernährungsformen…) Schwierigkeiten haben, ihren Nährstoffbedarf ausschließlich durch die Nahrung zu decken, können NEM eine wertvolle Unterstützung bieten.


●      Erhöhter Nährstoffbedarf durch Erkrankungen

Beim Vorliegen verschiedenster Erkrankungen kann sich der Nährstoffbedarf verändern, da einerseits ein höherer Verbrauch eines Nährstoffs vorliegen kann, die Aufnahme nicht effizient passiert oder zu viel ausgeschieden wird.


Beispiel:

Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (insbesondere Morbus Crohn) kommt es häufiger zu einem Mangel an Mikronährstoffen wie Magnesium und Zink. Dies liegt meist an einer gestörten Aufnahme dieser Nährstoffe aus dem Dünndarm. Daher ist oft eine Supplementation notwendig.

Risiken von Nahrungsergänzungsmittel

Unregulierte Produkte:

Nahrungsergänzungsmittel gelten rechtlich als Lebensmittel. Es müssen weder ihre Wirksamkeit noch Sicherheit nachgewiesen werden. Dadurch kann es auch zu Überdosierungen kommen.

Die meisten Nährstoffe, wie beispielsweise Vitamin C, sind in höheren Dosen zwar weniger problematisch, da diese wasserlöslich sind und ein Zuviel über die Nieren ausgeschieden werden kann. Allerdings können andere Mikronährstoffe, wie beispielsweise fettlösliche Vitamine (A, D, E und K) sowie Selen und Eisen in zu hohen Dosen toxisch wirken.

NEM sollten daher nicht einfach unkontrolliert eingenommen werden.

 

Wechselwirkungen:

Nahrungsergänzungsmittel können sowohl mit anderen Nährstoffen als auch mit Medikamenten interagieren, was sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit beeinträchtigen kann.

Zum Beispiel kann die Einnahme von hohen Dosen Calcium die Aufnahme von Eisen vermindern und umgekehrt.

Eine Wechselwirkung mit Medikamenten zeigt sich beispielsweise bei der Kombination von Vitamin K-reichen NEM mit Blutverdünnern wie Marcoumar. Vitamin K kann die blutverdünnende Wirkung von Warfarin abschwächen, was zu einem erhöhten Risiko für Blutgerinnsel führen kann.

→ Wenn du verschiedene Medikamente einnimmst, halte Rücksprache mit deinem behandelnden Arzt/Ärztin.

 

keine Prüfung und Testung erforderlich:

Im Vergleich zu Medikamenten braucht es keine Zulassung. Während Medikamente umfangreichen Tests unterzogen werden, die ihre Wirksamkeit und Sicherheit überprüfen und mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen identifizieren, sind solche Studien für Nahrungsergänzungsmittel nicht erforderlich. Das bedeutet, dass weder ihre Wirkung noch ihre Sicherheit getestet werden müssen und auch die Inhaltsstoffe nicht geprüft werden müssen.

 

Ein Markt ohne Aufsicht:

Da Nahrungsergänzungsmittel keiner behördlichen Kontrolle unterliegen, kann nicht garantiert werden, dass die angegebenen Inhaltsstoffe in den deklarierten Mengen enthalten sind. Ebenso können oft Verunreinigungen sowie unerwünschte Zusatzstoffe nicht ausgeschlossen werden. Bestimmte Füllstoffe, die in NEM enthalten sein können, können sich sogar negativ auswirken.


Beispiel:

Obwohl Titanoxid in der EU als Lebensmittelzusatzstoff erlaubt ist, wird es von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als nicht mehr sicher eingestuft, weil es Hinweise auf eine mögliche genotoxische Wirkung (Schädigung der DNA) gibt.

Nahrungsergänzungsmittel & Social Media - Problematik von Influencer*innen

Wie jede andere Firma auch, sind Hersteller von NEM auf Gewinn ausgerichtet. Ihr Ziel ist es, ihre Produkte zu verkaufen.

Ein beliebter Weg dafür ist die Nutzung von Influencer*innen, die dafür bezahlt werden, diese Produkte zu bewerben. Ob sie diese Produkte wirklich aus eigener Überzeugung empfehlen würden oder die beworbenen Vorteile der Wahrheit entsprechen, bleibt meist unklar. Das ist besonders problematisch, da die meisten Influencer*innen in den Bereichen Fitness und Lifestyle keine ausgebildeten Ernährungsfachkräfte sind.


Benötigst du Nahrungsergänzungsmittel?

Ob die Einnahme eines spezifischen NEM für dich sinnvoll sein kann, hängt von mehreren Faktoren ab.

  1. Wurde ein Nährstoffmangel im Blut nachgewiesen?

  2. Wie viel von dem Nährstoff wird bereits durch die Ernährung aufgenommen?

  3. Gibt es bestimmte Faktoren, wie zum Beispiel eine chronische Gastritis oder eine Malabsorption (bspw. bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen), die die Aufnahme von Nährstoffen erschweren?

  4. Besteht aufgrund von Stress oder Autoimmunerkrankungen ein erhöhter Bedarf an bestimmten Nährstoffen?

  5. Wird mit dem NEM auf eine spezifische therapeutische Wirkung abgezielt?


Es ist wichtig zu bedenken, dass NEM nur dann sinnvoll sind, wenn eine ausreichende Grundversorgung mit Energie und Nährstoffen sichergestellt ist.


Beispiel:

Studien zeigen, dass Mönchspfeffer bei Menstruationsstörungen wirksam sein kann, ist jedoch der Grund für das Ausbleiben der Periode eine unzureichende Zufuhr von Energie, Kohlenhydraten oder Fetten, wird auch Mönchspfeffer vermutlich keine Wirkung erzielen.

Das Problem an Multinährstoffpräparaten

Am Markt gibt es viele Multinährstoffpräparate, in denen unterschiedliche Nährstoffe in bestimmten Mengen enthalten sind. Meist sind diese jedoch nicht optimal dosiert. Um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, ist in der Regel eine höhere Dosierung erforderlich, weshalb oft spezielle Einzelnährstoffpräparate sinnvoller sind.

 

Beispiel:

Bei einem Eisenmangel ist häufig eine Dosierung von über 50 mg Eisen erforderlich, um diesen auszugleichen. Multinährstoffpräparate enthalten häufig nur die Hälfte der empfohlenen Tagesdosis und sind somit viel zu gering, um einen ausgeprägten Mangel auszugleichen.

 

Monopräparate oder gut dosierte einzelne Kombinationen können durchaus sinnvoll sein. Allerdings sollten nicht eigenmächtig irgendwelche hochdosierten Präparate eingenommen werden. Es gibt sehr wohl Grenzwerte, die nicht überschritten werden sollen. Eisen wirkt beispielsweise in hohen Dosen toxisch. → Daher solltest du vor der Einnahme Rücksprache mit einer Ernährungsfachkraft, sowie deinen behandelnden Ärzt*innen halten.


Welche Form für welchen Zweck?

Mineralstoffe sind in verschiedenen Formen erhältlich, weil jede Form vom Körper unterschiedlich aufgenommen wird und verschiedene Wirkungen hat.

 

Beispiel:

Magnesiumglycinat

Magnesiumcitrat

Beispielhaftes Einsatzgebiet:

Periodenschmerzen

Beispielhaftes Einsatzgebiet:

Verstopfung

 

 

Die Auswahl der falschen Form kann dazu führen, dass du nicht den gewünschten Effekt erzielst.

 

→ Informiere dich bzw. lasse dich beraten, welche Form du benötigst.


Sicherer Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln

Entschließt du dich dazu Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, ohne vorher mit einer Fachkraft darüber gesprochen zu haben, kannst du einige Dinge beachten, um auf der sicheren Seite zu bleiben:

 

Beim Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln kannst du dich an den sogenannten „Upper Limitsorientieren. Das sind die maximalen Mengen eines Nährstoffs, die täglich sicher eingenommen werden können, ohne dass gesundheitliche Probleme zu erwarten sind. Diese Grenzwerte werden von Fachgesellschaften wie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt.


Woran erkenne ich seriöse Anbieter?
  • Transparenz in der Kennzeichnung: Produkte werden klar und deutlich mit allen Inhaltsstoffen, Nährwertangaben und Dosierungsempfehlungen gekennzeichnet.

  • Laboranalysen: Seriöse Firmen lassen ihre Produkte regelmäßig durch unabhängige Labore testen, um die Qualität und Reinheit zu gewährleisten. (Diese Tests sollten auch öffentlich einsehbar sein)

  • Keine Heilversprechen: NEM sind keine Arzneimittel und dürfen daher nicht für die Heilung oder Linderung von Krankheiten beworben werden.

  • Wissenschaftliche Belege: Seriöse Anbieter stützen die behaupteten Wirkungen ihrer Produkte auf hochwertige wissenschaftliche Studien und Forschungsergebnissen.


Der Beitrag hat dich noch mehr verwirrt, wie du mit Nahrungsergänzungsmittel umgehen sollst? Keep calm and ask a dietitian. Hier gehts zu deinem kostenfreien Infogespräch.

Quellen:

  • Berthold Gaßmann, Nuthetal (2005): Zur Risikobewertung erhöhter Zufuhren der Vitamine C und E. In: Ernährungs-Umschau, S. 52–55. Online verfügbar unter https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2005/02_2005/EU_02_05_52_55.pdf

  • BGBl. II Nr. 88/2004 idgF Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (Nahrungsergänzungsmittelverordnung – NEMV)

  • Biesalski, Hans Konrad (Hg.) (2016): Vitamine und Minerale. 17 Mikronährstoff-Wechselwirkungen. 1st Edition. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

  • Bischoff, Stephan C. (2020): Ernährung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. In: Aktuelle Ernährungsmedizin 45 (05), S. 363–379. DOI: 10.1055/a-1144-6840.

  • EFSA (European Food Safety Authority) (Hg.) (2017). Dietary reference values for nutrients: Summary report. EFSA supporting publication 2017:e15121. 92 pp. doi:10.2903/sp.efsa.2017.315121

  • EFSA (European Food Safety Authority) (Hg.) (2024): Food supplements. Online verfügbar unter https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/food-supplements.

  • Higdon, Jane; Drake, Victoria J.; Delage, Barbara (2022): Vitamin K. Hg. v. Oregon State University. Linus Pauling Institute. Online verfügbar unter https://lpi.oregonstate.edu/mic/vitamins/vitamin-K.

  • Moini Jazani A, Hamdi K, Tansaz M, Nazemiyeh H, Sadeghi Bazargani H, Fazljou SMB, Nasimi Doost Azgomi R. Herbal Medicine for Oligomenorrhea and Amenorrhea: A Systematic Review of Ancient and Conventional Medicine. Biomed Res Int. 2018 Mar 18;2018:3052768. doi: 10.1155/2018/3052768. PMID: 29744355; PMCID: PMC5878906.

  • Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Hg.) (2024): Lebensmittel unter d

  • er Lupe. Nahrungsergänzungsmittel. Online verfügbar unter https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/lebensmittelinformationen/nahrungsergaenzungsmittel.

  • RICHTLINIE 2002/46/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel

  • World Health Organization (Hg.) (2005): Vitamin and mineral requirements in human nutrition. Online verfügbar unter https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/42716/9241546123.pdf?sequence=1.

  • Younes, Maged; Aquilina, Gabriele; Castle, Laurence; Engel, Karl-Heinz; Fowler, Paul; Frutos Fernandez, Maria Jose et al. (2021): Safety assessment of titanium dioxide (E171) as a food additive. In: EFSA journal. European Food Safety Authority 19 (5), e06585. DOI: 10.2903/j.efsa.2021.6585.    






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