Intermittierendes Fasten ist in aller Munde und hat in den letzten Jahren einen regelrechten Hype erfahren. Gewichtsabnahme, verbesserte Gesundheit, Lebensverlängerung sind Begriffe, die häufig mit der Fastenmethode in Verbindung gebracht werden. Über Auswirkungen auf den Hormonhaushalt wird oft wenig berichtet. In unserem Blogbeitrag möchten wir dir einen Einblick geben, warum der weibliche Körper gar nicht mal so ein großer Fan von Intermittierenden Fasten und Diäten ist.
Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung meiner Praktikantin und angehenden Kollegin Theresa Brunner verfasst. Vielen Dank!
Die Basics des Intervallfastens
Der simple Hintergrund des Intervallfastens beruht auf einem verkürztem Zeitfenster, indem die Nahrungsaufnahme stattfindet. Die beliebteste Form des Intervallfastens ist die 16:8-Methode, in der 16 Stunden gefastet und 8 Stunden gegessen wird. Grundsätzlich gibt es keine Vorgaben, was in dieser Zeit gegessen wird.
Diäten bedeuten für den Körper Stress
Jede strikte Diät bedeutet für den Körper Stress. Eine Kalorienrestriktion wie bei herkömmlichen Diäten versetzt den Körper in einen „Notstand“, der als „Starvation Modus“ oder auch Hungerstoffwechsel bezeichnet wird. Dies kann nicht nur zu hormonellen Veränderungen führen, sondern auch zu kompensatorischen, physiologischen Anpassungen:
Angriff auf die Muskelmasse: Der Körper greift zu Beginn einer Diät meist auf die Muskeln zurück, da Muskeln schneller zu Energie verstoffwechselt werden können. Die in den Muskeln gespeicherten Aminosäuren werden genutzt, um Zucker herzustellen, denn unser Gehirn ist auf die Versorgung mit Zucker (bzw. Kohlenhydraten) angewiesen. Wenn nach einer Diät wieder an Gewicht zugenommen wird, lagert der Körper dies meist eher in der Fettmasse ein. Fette verbrauchen jedoch weniger Energie als Muskeln, was dazu führt, dass der Grundumsatz bei gleichem Körpergewicht gesunken ist.
Ausschwemmen von Wasser: In unserer Leber werden ca. 150 g Glykogen (Speicherform von Kohlenhydraten) gespeichert, wobei jedes Gramm Glykogen in etwa 2-3 Gramm Wasser bindet. Während einer Diät werden diese Glykogenspeicher geleert und infolgedessen Wasser ausgeschwemmt. Bei einem Glykogenspeicher von 150 g reduziert sich das Körpergewicht im Schnitt um ein halbes Kilogramm, wobei dies nur auf Wasser und Glykogen zurückzuführen ist.
Einsparen, wo es nur möglich ist: Der Körper versucht an allen möglichen Stellen Energie zu sparen, um diese für die lebensnotwendigen Prozesse, wie Atmung, Herzschlag oder Gehirnfunktionen zu sparen. Das führt einerseits dazu, dass Stoffwechselprozesse, die viel Energie brauchen eingeschränkt werden (Thermoregulation, Verdauung…). Dies ist auch der Grund, warum viele Menschen unter einer Diät frieren oder Verstopfung haben. Andererseits wird der Körper aufgrund der fehlenden Energie lethargischer, was in vermehrter Müdigkeit, geringerer Bereitschaft, sich zu bewegen, Abnahme von unbewussten Bewegungen (Wippen mit dem Fuß…), Energielosigkeit (…) resultieren kann.
Psychologische Auswirkungen: Diäten haben nicht nur physiologische Auswirkungen, sondern auch psychische. Diäten können ein maßgeblicher Faktor sein, um die Beziehung zum Essen und zum eigenen Körper zu verschlechtern und Essstörungen zu begünstigen. Restriktionen, selbst auferlegte Ernährungsregeln oder Ernährungspläne können Überessen, Essanfälle oder auch eine Binge Eating Störung auslösen.*
*Zur Ergänzung: Eine Binge Eating Störung bzw. im Allgemeinen Essstörungen werden selten durch einen alleinigen Faktor ausgelöst, sondern sind ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren.
Neben diesen physiologischen Anpassungen bleibt eine Diät oder Kalorienrestriktion für den weiblichen Körper meist nicht unbemerkt.
Regulation des weiblichen Zyklus
Der weibliche Zyklus wird über mehrere Hormone und Organe reguliert.
Das Startsignal für die Produktion weiblicher Sexualhormone kommt vom Hypothalamus, indem GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormone) freigesetzt wird.
GnRH stimuliert die Freisetzung von FSH und LH aus der Hypophyse.
FSH bewirkt das Wachstum der Follikel in den Eierstöcken sowie die Produktion von Östrogen (dominierendes Hormon in der zweiten Zyklushälfte). Ein Anstieg des LH-Spiegels löst den Eisprung aus, bei dem eine befruchtungsfähige Eizelle aus einem Follikel (Eibläschen) freigesetzt wird. Der Follikel verwandelt sich in den Gelbkörper, welcher in den Eierstöcken Progesteron (dominierendes Hormon der zweiten Zyklushälfte) produziert, um den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vorzubereiten. Wenn keine Schwangerschaft eintritt, sinken die Spiegel von Östrogen und Progesteron, was zur Menstruation führt und den Zyklus wieder von vorne beginnen lässt.
Hormonchaos durch Diäten?
Eine zu geringe Nährstoffzufuhr beeinflusst die Hormone, indem vermehrt Stresshormone freigesetzt werden, die im Zusammenspiel mit den Hunger- und Sättigungshormonen die Bildung von Sexualhormonen stören können.
Eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) zeigt, dass das Intervallfasten zu einem signifikanten Anstieg des Hormons Ghrelin im Blut führen kann. Ghrelin ist ein Hungerhormon und wirkt appetitanregend.
Grehlin kann ein maßgeblicher Faktor sein, dass die Freisetzung von GnRH gehemmt wird, denn es signalisiert dem Körper: „Stopp, wir haben zu wenig Energie!“. Wenn die Nährstoffe fehlen, um ggf. ein weiteres Lebewesen zu versorgen, können Zyklusstörungen begünstigt werden.
Durch Untersuchungen, die vor allem bei weiblichen Sportlerinnen durchgeführt wurden, hat sich gezeigt, dass eine ständige Unterversorgung mit Energie häufig mit einer verminderten Knochendichte und mit einem Ausbleiben der Periode einhergehen kann.
Ausschlaggebend hierfür ist eine verminderte Energieverfügbarkeit*.
* Energie, die über den Tag verbraucht wird, wird nicht ausreichend über die Nahrung gedeckt -> Energiemangel -> hormonelle Auswirkungen, bishin zum Ausbleiben der Periode
Weiters begünstigt der Östrogenmangel den Knochenabbau und erhöht somit das Risiko für Osteoporose. Ebenfalls hat das Östrogen auch Auswirkungen auf die Stimmung, wodurch Reizbarkeit und starke Stimmungsschwankungen eine Folge sein können.
Weitere Untersuchungen zeigen auch, dass Intervallfasten und Diäten einen Einfluss auf die Schilddrüsenhormone nehmen und die Spiegel an T3 erniedrigen können.
Das Schilddrüsenhormon T3 (Trijodthyronin) ist nicht nur für den Energiestoffwechsel, Wachstumsprozesse oder den Herzschlag mit-verantwortlich, sondern auch für den weiblichen Zyklus.
Niedrige T3 Spiegel geben dem Körper die Information, dass es an Energie fehlt und hemmen somit die Ausschüttung der Sexualhormone LH und FSH. Somit können ebenfalls unregelmäßige Menstruationszyklen, das Ausbleiben der Periode und Zyklusstörungen begünstigt werden, wenn Schilddrüsenhormone nicht im Lot sind.
"Nourish to flourish"
Um deine Hormone bestmöglich zu unterstützen, ist es also wichtig ausreichend zu essen. Wenn du deinem Körper achtsam und aufmerksam zuhörst, Hunger und Sättigung achtest und ihn fürsorglich mit einer breiten Palette an verschiedenen Lebensmitteln, Nährstoffen und Geschmäckern versorgst, baust du ein stabiles Fundament, dem deine Hormone langfristig danken werden.
Nachsatz:
Das bedeutet nicht, dass intermittierendes Fasten automatisch zu hormonellen Störungen führt. Bei gewissen Stoffwechselstörungen (bspw. beim Vorliegen einer Insulinresistenz) können gewisse zeitliche Anpassungen in der Nahrungsaufnahme manchmal Sinn machen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob intermittierendes Fasten für dich geeignet ist oder generell Unterstützung benötigst, darfst du dich jederzeit bei mir für ein kostenfreies Infogespräch melden.
Quellen:
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